Veranstaltung: | Landesparteitag Schleswig-Holstein September 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Anträge |
Antragsteller*in: | Christian Busch |
Status: | Unterstützer*innen sammeln (Berechtigung: Eingeloggte) |
Angelegt: | 11.08.2022, 19:42 |
Runder Tisch: Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte wahren
Antragstext
Der Landesparteitag möge beschließen:
Der Landesparteitag fordert die Landesregierung wie auch die Fraktionen von CDU
und Bündnis 90/Die Grünen auf, von dem im Koalitionsvertrag angekündigten
Vorhaben eines "Runden Tisches" zur "Weiterentwicklung" des Religionsunterrichts
Abstand zu nehmen.
Begründung
Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Religionsunterricht vom 25.02.1987 ist eindeutig, es lässt keinen Spielraum für eine wie auch immer geartete Einflussnahme des Staates auf Inhalt und Ziel des Religionsunterrichts: Maßgeblich "sind grundsätzlich die Vorstellungen der Kirchen über Inhalt und Ziel der Lehrveranstaltung", deren Verständnis vom Religionsunterricht "muß der religiös neutrale Staat (...) hinnehmen", sofern die "durch den Verfassungsbegriff 'Religionsunterricht'" gezogene Grenze nicht überschritten wird. (BVerfGE 74, 244)
Der von den Koalitionsparteien angekündigte "Runde Tisch" setzt sich über die grundgesetzlich geforderte weltanschauliche Neutralität des Staates hinweg. Er stellt einen Verstoß gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit nach Art.20(3)GG dar ("Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden"). Auch missachtet er zumindest die Grundrechte nach Art.4(1)GG (Bekenntnisfreiheit), ggf. auch nach Art.6(2)GG (Elternrecht).
Denn es stellt sich die Frage, was unter einer "Weiterentwicklung des Angebotes" verstanden werden soll.
"Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht." So steht es im Art.6(2) des Grundgesetzes. Eine Einschränkung dieses Elternrechtes können die Länder durch Erlass einer allgemeinen Schulpflicht vornehmen. Das Bundesverfassungsgericht erkennt ein "berechtigtes Interesse" der Allgemeinheit daran, "der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten 'Parallelgesellschaften' entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren". (2 BvR 920/14)
Das Grundgesetz legt in Art.7(1) fest: "Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates." Folglich kann - abhängig von der Landesgesetzgebung - auch der Staat Erziehungsaufgaben übernehmen. Einen Ausnahmefall im Ausnahmefall bildet nun der Religionsunterricht: Da der weltanschaulich neutrale Staat keine religiösen Bekenntnisse vermitteln kann, ist er in diesem Zusammenhang (und nur in diesem Zusammmenhang) auf die Mitwirkung der Religionsgemeinschaften angewiesen. Aufgabe des Religionsunterrichts ist es laut Bundesverfassungsgericht, "die Glaubenssätze (...) als bestehende Wahrheiten zu vermitteln". (BVerfGE 74, 244)
Einen darüber hinaus gehenden Erziehungsauftrag haben die Religionsgemeinschaften nicht und können die Religionsgemeinschaften auch nicht haben.
Auch demokratisch gewählte Abgeordnete sowie eine demokratisch gewählte Regierung sind an Recht und Gesetz, insbesondere an das Grundgesetz, gebunden.
Unterstützer*innen
- Fabian Osbahr (KV Segeberg)
Kommentare
Christian Busch:
Der Landesparteitag von "Bündnis 90/Die Grünen" hat am 24.03.2019 die "Einführungs eines Pflichtfaches 'Philosophie und Religionskunde' für alle" beschlossen, zum Religionsunterricht heißt es in der Begründung: "Bekenntnisgebundener Unterricht in der Verantwortung der jeweiligen Religionsgemeinschaft wird sich auf die Vermittlung der Glaubensinhalte konzentrieren können und (im Umfang reduziert) unterrichtet werden."
Die Forderung nach einen "Runden Tisch" zur "Weiterentwicklung" des Religionsunterrichts ignoriert diesen Beschluss des Landesparteitages nicht nur, sie wendet sich direkt gegen ihn. Ihre Inspiration haben sich die Verhandler des Koalitionsvertrages bei der "BAG Christ*innen" geholt.
Deren Thesenpapier "Grundlagen und Kriterien zu einer Weiterentwicklung des Religionsunterrichts" schlägt vor, "seitens der zuständigen Bundesländer 'Runde Tische' (...) einführen" mit dem Ziel, einen "von den beteiligten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften inhaltlich gemeinsam verantworteten RU", (RU = Religionsunterricht) zu schaffen, also einen "RU für alle", der ausdrücklich auch die "nichtgläubigen" Schüler einschließen soll.
Damit wäre nicht nur das gewählte Verfahren rechtswidrig, auch das Ziel würde das Grundrecht auf Bekenntnisfreiheit sowie das Elternrecht unmittelbar angreifen.
Nebenbei bemerkt: In dem Papier sind drei Autoren der Beschlussvorlage benannt - was interne Widersprüchen erklärt. Während einerseits gefordert wird, die Bundesländer sollten "Runde Tische" einrichten, heißt es andererseits zu den "unterschiedlichen Pilotprojekten": "Der Staat selbst kann und darf hier nicht gestaltend eingreifen." Das ist dann schon bemerkenswert: Mindestens einer der drei Autoren (der Jurist unter ihnen?) verwirft entscheidende Passagen als nicht verfassungskonform.
Norbert Scheppach: