Veranstaltung: | Landesparteitag Schleswig-Holstein September 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 5.3. Parteirat |
Antragsteller*in: | Fabian Osbahr |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 15.09.2022, 17:27 |
W-PR8: Fabian Osbahr
Bewerbungstext
Liebe grüne Gemeinschaft,
wer gerade in die Welt und ihre Konflikte hinausschaut, bekommt einen ziemlich bösen und fiesen Blick zurück.
Die Nachrichten, die auf uns einprasseln, würfeln lange geglaubte Gewissheiten fast täglich arg durcheinander. Die eigene Standortbestimmung wird uns immer wieder neu abgefordert.
Zugleich stehen gerade wir als Partei mit im Epizentrum der öffentlichen Blicke - sei es in Bund, Land oder Kommunen.
Wir Grüne dürfen gegenwärtig fast überall dank erfolgreicher Wahlkämpfe mitmischen, gestalten, uns einbringen und erleben dabei selbst, wie wir angesichts brutaler globaler Entwicklungen und schwerer Fehler und Versäumnisse vergangener Regierungen immer wieder umschwenken, pragmatisch handeln, Prinzipien und Grundsätze in Klammern setzen oder nach hinten verlagern müssen.
Zugleich erodieren und erstarken in Europa - sei es in Frankreich, Italien oder jüngst besorgniserregend in Schweden - rechtsradikale, populistische Kräfte.
Sie werden auch unterstützt durch verunsicherte, politikverdrossene, hoffnungslose Menschen, denen es wirtschaftlich nicht gut geht in einer neoliberal eingefärbten Welt, an der auch wir Grüne in der Regierungszeit Schröders zumindest einen Anteil Mitschuld tragen – sei es durch die Schaffung von Hartz IV oder den Niedriglohnsektor-Ausbau.
Das Gegeneinander-Ausspielen der Mittelschicht, die zunehmend bröckelt und etwa im Handwerk oder der Pflege mit schlechter Bezahlung klarkommen muss, gegen die, die finanziell ganz unten stehen, ist leider ein willkommenes Instrument konservativer und neoliberaler Kräfte - gegenwärtig beim Bürgergeld zu beobachten.
Dieselben Kräfte übrigens, die sich ökonomisch für vermeintlich hochkompetent halten und doch alle Streitgespräche und Diskussionen in Talkshows mit teils arg überholten Wirtschaftslehren à la Monetarismus („Böse Schulden“/Inflation) bestreiten.
Eindimensional werden dort Mono-Blicke aus BWLer-Perspektive geworfen, mit der Predigt vom „enger zu schnallenden Gürtel“ und der vermeintlichen „Wettbewerbsfähigkeit“ – und in völliger ideologischer Ignoranz von makroökonomischen Gesetzmäßigkeiten, die dann solche Absurditäten wie eine „Schulden“bremse hervorbringen (die eigentlich Investitionsbremse heißen müsste).
Oder den eindimensionalen Glauben daran gefestigt haben, dass niedrige Löhne Deutschland helfen und weiterbringen (obwohl sie erkennbar zu mangelnder Binnennachfrage und vermeidbarer Arbeitslosigkeit führen…).
Nicht eben geringe Teile der Bevölkerung folgen leider diesen Denkansätzen und sprechen CDU und FDP im ökonomischen Bereich beängstigend viel vermeintliche Kompetenz zu.
Wir halten nach meinem Empfinden von grüner / linker Seite bislang aber auch nicht ausreichend stark dagegen, übernehmen im Zweifel neoliberales Framing des Mainstreams und klotzen selbst zu wenig mit gefestigter progressiver Wirtschafts-, Geld- und Fiskal-Argumentation.
Egal ob Arbeitsmarkt, Wirtschaft, Kampf gegen Rassismus - für mich als Gemeinschaftsschullehrer (Deutsch, Chemie und Wirtschaft/Politik) ergeben sich in der täglichen Arbeit Situationen, bei denen einem immer wieder Ressentiments & Vorurteile z.B. gegen finanziell schwache Menschen Kern von Gesprächen sind oder markante Defizite bei Demokratieverständnis oder ökonomischen Zusammenhängen auftauchen.
Ich bin folgender felsenfester Überzeugung: „Demokratieverliebte“ Menschen, durch engagierte Vollgas-Bildung in den Schulen zu ökonomisch reflektiertem und fundiertem Wissen befähigt, sind der entscheidende Schlüssel.
Einerseits im Kampf gegen extreme und radikale Verführungen und vermeintlich simple Lösungen von Links- oder Rechtsaußen. Andererseits auch bei einem umfassenden Verständnis von (Makro-)ökonomie, die ideologiefrei nicht immer neue Kämpfe zwischen Neoliberal („Markt gut“, „Staat böse“) und Links („Staat gut“, „Markt böse“) auszufechten versucht, sondern sachlich und nüchtern die Rolle aller Sektoren (Staat, Haushalte, Unternehmen) und ihrer symbiotischen Funktionen und Rollen vermehrt ins öffentliche Zentrum rückt.
Gute, tiefgreifende ökonomische und demokratiefestigende Kompetenzausbildung, begonnen (und intensiviert) im schulischen Bereich und fortgesetzt im lebenslangen Lernen, die zu kritischem Hinterfragen etwa des deutschen Mainstreams in Wirtschaftsfragen befähigt (und damit zugleich Arbeitsmarkt-, Lohn- und Finanzierungsfragen tangiert), gehört für mich als Anker ins Zentrum grüner Politik.
Im Parteirat würde ich mich gerne mit diesen meinen Herzensthemen Schulische Bildung, Demokratiefestigung & (makro-)ökonomischer Drift gegen neoliberale Denkvereinnahmung im Mainstream einbringen und gestaltend, kritisch, diskussionsfreudig einen kleinen Teil dazu beitragen, dass auch diese Schlüsselbereiche immer gut Gehör finden, um dazu beizutragen, eine Vielzahl oben genannter Probleme perspektivisch besser zu lösen und zu optimieren.
Über eure Stimme würde ich mich außerordentlich freuen!
Euer Fabian
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- Segeberg